Geomorphology
Geomorphologie ist die Lehre von den Formen der Erdoberfläche, ihrer Entstehung und Veränderung, den daran beteiligten Prozessen und ihrer Modellierung.
Das Wort Geomorphologie ist griechischen Ursprungs und bedeutet so viel wie die Wissenschaft der Formen der Erde bzw. genauer der Erdoberfläche. Damit wird auch schon deutlich, dass die Geomorphologie über die reine Formenbeschreibung des Reliefs hinausgeht: Im Zentrum der Forschung steht vielmehr die Frage, wie bestimmte Kräfte (beispielsweise durch Vulkanismus, Erdbeben, aber auch Frosteinwirkung oder Niederschläge), Prozesse (wie Steinschlag, Lawinen, das Fliessen von Wasser) und Materialien (z.B. Gesteinsarten, Bodenarten, Eis) zusammenwirken, um die Formen an der Erdoberfläche hervorzubringen, die wir heute beobachten können. Wesentlich dabei ist, dass Geomorphologinnen und Geomorphologen nicht sämtliche Kräfte und Prozesse konkret und aktuell beobachten können, da sie teilweise in extrem langen oder ganz im Gegenteil auch in extrem kurzen Zeiträumen ablaufen (Sekunden bis Millionen von Jahren). GeomorphologInnen müssen somit verschiedenste Kenntnisse und Methoden nutzen, um Aussagen über gegenwärtige und vergangene Abläufe treffen zu können, im Bestreben, daraus Erkenntnisse über mögliche zukünftige Entwicklungen zu gewinnen.
In diesem weiten Feld hat sich die Schweizerische Geomorphologie laufend mit wichtigen und aktuellen Aspekten befasst. So haben bereits in den vorigen Jahrhunderten H.B. de Saussure und L. Agassiz und in der Folge E. Brückner und A. Penck entscheidende Beiträge für das Verständnis der glazialen Landschaften geleistet. Nach der Gründung der Schweizerischen Geomorphologischen Gesellschaft SGmG im Jahre 1946 standen vorerst hauptsächlich geomorphologische Kartierungen im Vordergrund. Neben der Pflege von Spezialgebieten (international bekannt u.a. Arbeiten zur Karstmorphologie und –hydrologie), wurde seit etwa 1960 die Tradition der Quartärforschung in enger Zusammenarbeit mit Nachbardisziplinen (u.a. Datierungsfragen, Vegetationsgeschichte, Paläoböden) wieder aufgenommen und intensiviert. Parallel zu zahlreichen Arbeiten zur Klärung der Vergletscherungsgeschichte zeigte es sich immer mehr, dass auch in den Spuren anderer Prozesse wesentliche Informationen zu quartärgeschichtlichen bzw. klimageschichtlichen Fragen stecken. So hat sich im gleichen Zeitraum die Periglazial-Geomorphologie (kryonivale und kryogravitative Prozesse) zu einem wichtigen Zweig der Schweizerischen Geomorphologie entwickelt, der heute in angewandten Fragen (Permafrost) eine bedeutende Rolle spielt.
Seit etwa 1980 hat sich das Betätigungsfeld der Geomorphologinnen und Geomorphologen noch weiter vergrössert: Das Verständnis der Prozesse, die zur Landschaftsgestaltung beitragen, das Erarbeiten von Modellen, aber auch konkrete Fragen aus der Praxis stehen heute im Zentrum des Interesses. Geomorphologische Formen und Prozesse haben auch eine Bedeutung für das Verständnis der Erdgeschichte. Besonders seltene oder exemplarische Objekte werden als Geotope bezeichnet. Seit den 90er Jahren befassen sich verschiedene Akteure mit der Aufnahme, der Kartierung und der Inwertsetung des geomorpholoigschen Erbes. Entsprechend der Vielfalt der Themen haben sich unserer ursprünglich aus der Geographie entstandenen Vereinigung Vertreterinnen und Vertreter aus weiteren Disziplinen wie Geologie und Erdwissenschaften, Kultur-, Vermessungs- und Bauingenieurwesen, Fluss- und Wasserbau, Biologie oder Chemie angeschlossen. Dies Vielfalt belegt, dass viele der Problemstellungen bereits inter- oder transdisziplinär bearbeitet wurden und künftig gar noch intensiver bearbeitet werden. Gerade Fragen, die sich im Zusammenhang mit den vielfältigen Aspekten der Klimaveränderung stellen, belegen dies.
Die Geomorphologie verfügt also über einen erheblichen Erfahrungsschatz in dieser modernen Arbeitsweise. Neben institutionell bedingten Traditionen mag es gerade ein Ausdruck dieser Interdisziplinarität der Fragestellungen und der Arbeitsweisen sein, dass die Geomorphologie teils bei der Geographie (deutschsprachiger Raum), teils bei der Geologie (vor allem im angelsächsischen Raum) angesiedelt ist. Auch wenn sich aus dieser Situation gelegentlich gewisse Herausforderungen ergeben, will die Geomorphologie diese Rolle in einem sich öffnenden Umfeld in Zukunft noch verstärkt und umso bewusster wahrnehmen.
Ein wichtiger Aspekt bildet die Verbindung von Wissenschaft und Praxis. Während einzelne geomorphologische Projekte nach wie vor eher der Grundlagenforschung zuzurechnen sind, antworten andere direkt auf konkrete, praxisorientierte Fragen von Behörden oder Privaten. Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen müssen dementsprechend einer breiten, interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Geomorphologie kann sich dabei den Vorteil zu Nutze machen, dass viele Projekte anschaulich sind und visuell gut umgesetzt werden können.